Vom „Körberlgeld“ zur professionellen Direktvermarktung

Die Direktvermarktung ist die wirtschaftlich bedeutendste Form der Diversifizierungsmöglichkeiten in der österreichischen Landwirtschaft. Sie schafft neue Arbeitsplätze, sorgt für betriebliche Weiterentwicklung und trägt zu einem stabilen Einkommen aus der Landwirtschaft bei.

Vom Selbstversorger zur überregionalen Vermarktung
Die österreichische Land- und Forstwirtschaft war im 20. Jahrhundert einem starken Strukturwandel unterworfen. Vor rund 100 Jahren lebte der Großteil der Bevölkerung am Land und konnte sich zumindest teilweise selbst mit Lebensmittel versorgen. Nahrungsmittelüberschüsse wurden verkauft bzw. an Nachbarn abgegeben – die Bäuerin machte sich ein „Körberlgeld“ mit dem Verkauf von Eiern und Milch ab Hof. Mit der Rationalisierung in der Landwirtschaft in den 1970/80er Jahren verschwand diese Art des Zuverdienstes beinahe gänzlich.

Mit EU-Beitritt 1995 wurden Möglichkeiten gesucht, um Einkommensverluste auszugleichen und die „Direktvermarktung“ (wieder) entdeckt. Viele haben begonnen, viele haben wieder aufgehört. Rechtliche Rahmenbedingungen, die notwendigen Investitionen und nicht zuletzt die persönliche Eignung für die Selbstvermarktung haben zu einer Professionalisierung geführt, die noch immer anhält. Direktvermarktung entspricht dem Zeitgeist der Regionalität und Saisonalität und ist ein Erfolgsmodell für schätzungsweise 8.500 bäuerliche Betriebe in NÖ geworden, die Direktvermarktung mit verschiedenen Verkaufswegen und mit unterschiedlichem Umfang betreiben.

Was Direktvermarktung ausmacht
Direktvermarktung ist vielfältig, jedes selbsterzeugte Produkt darf im Rahmen der Gesetze verkauft werden. Direktvermarktung ist aber auch zeitintensiv, nur durch gute Zusammenarbeit innerhalb der Familie und mit Partnern im bäuerlichen und gewerblichen Bereich ist der Betriebszweig lukrativ zu schaffen. Direktvermarktung ist flexibel, Änderungen des Angebotes und die Intensität der Verarbeitung sowie das Reagieren auf Kundenwünsche sind rasch und unkompliziert möglich. Betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Kontaktfreudigkeit sind zentrale Eigenschaften, um Freude und Erfolg zu haben. Doch das A und O der Direktvermarktung ist: höchste Qualität der Produkte – das wollen Konsumenten und Direktvermarkter gleichermaßen.

Direktvermarktung heute
Heute ist die Direktvermarktung professioneller geworden. Direktvermarkter wurden zu Lebensmittelunternehmern, die eine Vielzahl an rechtlichen Vorgaben beachten müssen. Zudem konkurrieren sie mit dem Handel, der regionale Produkte als „Imageprodukte“ erkannt hat. Doch der Wunsch vieler Kunden nach einem direkten Kontakt zum Erzeuger ist ungebrochen und die Chancen in der Direktvermarktung sind somit weiterhin gesichert. Mit den heute zur Verfügung stehenden digitalen Möglichkeiten lässt sich darüber hinaus der Kundenkreis für die Direktvermarktung unabhängig vom jeweiligen Betriebsstandort erweitern.

Unterstützung durch Beratung und Bildung
Die Landwirtschaftskammer Niederösterreich hat die niederösterreichischen Direktvermarkter von Beginn an begleitet, mit Kursen und Beratungen wurde die Professionalisierung vorangetrieben. Im November 1999 wurde in der Landwirtschaftskammer NÖ ein eigenes Referat Direktvermarktung eingerichtet, 2002 in jeder BBK ein Ansprechpartner Direktvermarktung nominiert. Fragen zum Einstieg, aber auch zur Professionalisierung werden bei unterschiedlichen Beratungsangeboten geklärt. Seit der Gründung des Landesverbandes für bäuerliche Direktvermarkter im Jahr 1997, vertreten gewählte Funktionäre ihre Berufskollegen. Mit den Qualitätsprogrammen Gutes vom Bauernhof, das 2002 bundesweit, und Top-Heuriger, das 2008 landesweit, aufgebaut wurde, wurde ein weiterer wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung in der Direktvermarktung und bei den Buschenschankbetrieben gesetzt. Erfolgreiche Direktvermarkter brauchen eine gute Ausbildung und laufende Weiterbildung. So wurde 1997 das erste Mal der Zertifikatslehrgang „Bäuerliche Direktvermarktung“ in NÖ angeboten.

 

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