Kammerdirektor a.D. Univ.Prof. Dr. Gottfried Holzer


Gottfried Holzer wurde am 29. Mai 1946 in Wullersdorf, Niederösterreich, als Sohn des Volksschullehrers Adolf und seiner Gattin Josefine Holzer geboren. Nach dem Besuch der Volksschule in Wullersdorf und des Humanistischen Bundesgymnasiums in Hollabrunn (1964 Reifeprüfung mit Auszeichnung) studierte er an der juridischen Fakultät der Universität Wien und schließt dieses Studium 1969 mit der Promotion zum Dr.iur. ab. 1981 habilitierte er sich am Institut für Volkswirtschaftslehre, Agrarpolitik und Rechtswissenschaften der Universität für Bodenkultur mit der Schrift „Agrar-Raumplanungsrecht“ und erhielt die Lehrbefugnis für Agrarrecht. 1990 wurde ihm der Berufstitel "Universitätsprofessor" verliehen. Er lehrte an der Donauuniversität Krems und der Fachhochschule Wiener Neustadt/Wieselburg und bis heute an der Universität für Bodenkultur Wien. 1991/92 absolvierte Holzer ein Postgraduate Studium für Verbands- und Nonprofit-Management an der Universität Freiburg, Schweiz und wurde nach dessen Abschluss zum Dipl.Verbandsmanager VMI ernannt.

Sein beruflicher Werdegang begann nach einer kurzen Tätigkeit als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien 1969 mit dem Eintritt in den Kammerdienst der NÖ Landes-Landwirtschaftskammer. Holzer wurde mit der Begutachtung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen und Rechtsangelegenheiten im Bereich der Kammeramtsdirektion betraut. 1976 erfolgte seine Bestellung zum Kammeramtssekretär. 1985 übernahm er die Leitung der Abteilung für Rechts- und Sozialwesen, 1986 wurde er Kammeramtsdirektor-Stellvertreter und 1992 Kammerdirektor, eine Funktion, die er bis 2008 ausübte.

Holzer hat die Landwirtschaftskammer zu einem modernen, serviceorientierten Dienstleistungsbetrieb ausgebaut. Zu seinen herausragenden Leistungen zählen die Strukturreform der LK, der Neubau und die Übersiedlung von Wien nach St. Pölten sowie die Generalsanierung und Eröffnung der Bildungswerkstatt Mold. So schaffte er es, durch eine Organisationsreform 16 Fachabteilungen der Landwirtschaftskammer ohne Effizienzverlust auf die Hälfte zu reduzieren. 1995 wurde durch eine Urabstimmung ein parteipolitisch motivierter Versuch, die gesetzliche Interessenvertretung massiv zu schwächen, beendet. 92 Prozent der Kammermitglieder sprachen sich in einer Urabstimmung für Bauernkammern mit gesetzlicher Mitgliedschaft aus.

Eine besondere Herausforderung bildete die Errichtung eines neuen Hauses der Landwirtschaft in St. Pölten. Die Umsiedlung konnte unter Einhaltung sämtlicher Fristen und Unterschreitung der Kostenvorgabe mit 2. November 1999 erfolgreich abgeschlossen werden. Um den Anforderungen der Land- und Forstwirte und den Herausforderungen der Umsetzung des EU-Fördersystems gerecht zu werden, wurde im Jahr 2002 eine einschneidende Strukturreform der Bezirksbauernkammern umgesetzt und die Organisationsstruktur von Standorten in mehr als 60 Gerichtsbezirken auf 21 politische Bezirke gestrafft.

Holzer ist Verfasser zahlreicher Werke auf den Gebieten des Agrar-, Umwelt-, Raumplanungs- und Verfassungsrechts. Als Hobbies nennt er Gartengestaltung, Reisen, Jagd und Musik, wobei das letztere weit über den Hobby-Bereich hinaus geht: Holzer ist ausgebildeter Kirchenmusiker, Organist und Komponist.

Für seine vielfältigen Verdienste erhielt er eine Reihe hoher und höchster kirchlicher, juristischer, Bauernbund-, Kammer-, Landes- und Bundesauszeichnungen bzw. Ehrungen von Organisationen und Unternehmen, wie Österreichische Hagelversicherung, Raiffeisenverband etc.

1994 - 2004: Die Zeit einschneidender Reformen

Von 1992 bis 2008 durfte ich als Kammerdirektor die Geschicke der NÖ. Landwirtschaftskammer mitbestimmen. Führungsverantwortung übernehmen heißt, Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen und Strategien zu deren Lösung zu entwickeln. Dazu braucht es ein Rüstzeug - und dieses durfte ich mir dank der Weitsicht von Präsident Rudolf Schwarzböck vor meinem Amtsantritt im Rahmen der Ausbildung zum Dipl.-NPO-Manager an der Universität Fribourg holen! Es galt, die Landwirtschaftskammer und ihre Kammerzugehörigen zukunftsfit für die Übernahme der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 1. Jänner 1995 zu machen, insbesondere für die Abwicklung der Mehrfachanträge und die damit verbundene Beratungsoffensive. Dies war mit der jahrzehntelang unverändert gebliebenen Kammerstruktur nicht zu bewerkstelligen. Schon 1992/93 wurden durch die Schaffung von Schwerpunktkammern und die Einführung einer neuen, schlanken Abteilungsstruktur in der Zentrale (Reduktion von 15 auf 8 Abteilungen) die Weichen für die Bewältigung der mit dem EU-Beitritt Österreichs verbundenen Herausforderungen gestellt. Präsident Rudolf Schwarzböck brachte es bereits 1992 auf den Punkt: "Die sogenannten Schwerpunktkammern können mit entsprechender personeller und apparativer Ausstattung jenes Beratungsangebot bieten, das der Landwirt zur Erlangung der Europareife benötigt."

Mitte der neunziger Jahre wurde vor allem seitens einer politischen Partei das Modell der Kammern in Frage gestellt und für "Kammern light" mit freiwilliger Mitgliedschaft geworben  (die es so gar nicht geben kann!). Nach einer intensiven Aufklärungskampagne sprachen sich in einer Urabstimmung vom 5. März 1995 unglaubliche 92 % der Kammerzugehörigen für Bauernkammern mit gesetzlicher Mitgliedschaft aus, ein Bekenntnis, das als überwältigender Vertrauensbeweis gerade in Zeiten großer Verunsicherung anzusehen ist!

In diese Zeit fallen auch die Vorarbeiten für den Neubau der Zentrale der Landwirtschaftskammer in St. Pölten, insbesondere die Erstellung eines zukunftsorientierten Raum- und Funktionsprogrammes. Die sogar vom Rechnungshof gelobte professionelle Planung und Durchführung des Neubaues des Hauses der Landwirtschaft machte im November 1999 die reibungslose Verlegung des Sitzes der Landwirtschaftskammer von Wien in die Landeshauptstadt möglich.

Eine der größten Herausforderungen stellte die grundlegende Neuordnung der Strukturen der bisher auf Gerichtsbezirksebene eingerichteten Bezirksbauern-kammern und deren Konzentration auf die politischen Bezirke dar, eine Maßnahme, die durch die Notwendigkeit arbeitsteiliger Teambildung, verstärkter Spezialberatung und professioneller Antragsabwicklung unabdingbar war, aber naturgemäß auf Widerstand in einzelnen Regionen stieß. Ein sehr offener Kommunikationsprozess mit klaren Argumenten und eine wohldurchdachte Umsetzungsstrategie ließen auch diesen einschneidenden, ab 2002 umgesetzten Reformschritt rasch zu einem Erfolg werden. Trotz längerer Anfahrtswege fanden die neuen, gut ausgestatteten Beratungs- und Servicezentren in den Bezirken überraschend schnell die Akzeptanz der Kammerzugehörigen. Damit verbunden waren zahlreiche Neu- und Umbauten in den Standorten der Bezirksbauernkammern. Eine zukunftsgerichtete Investition in die Aus- und Weiterbildung unserer Kammerzugehörigen war der Ausbau und die Neugestaltung des Bildungszentrums Mold bei Horn (2004).

Das vor 100 Jahren vom NÖ Landtag beschlossene Landwirtschaftskammer-gesetz wurde wiederholt novelliert, insbesondere 1994 durch die Stärkung von Minderheiten- und Kontrollrechten sowie durch die gesetzliche Verankerung der Bäuerinnen- und Jugendorganisation. Im Zuge der Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit erfuhr die Kammerzeitung "Die Landwirtschaft" eine umfassende Neugestaltung. Bei jahrzehntelang gleich gebliebenen Kammerumlagen galt ein weiteres Hauptaugenmerk der Sicherung der finanziellen Grundlagen der LWK, insbesondere durch den Abschluss einer schriftlichen Leistungsvereinbarung mit dem Land NÖ betreffend  den vom Land jährlich zu leistenden Kammerbeitrag in Form von Personalkostenzuschüssen.

Seit nunmehr 100 Jahren gehören Interessenvertretung, Förderung und Beratung zum ureigensten Wirkungsbereich der Landwirtschaftskammer. Für den Zeitraum 1994 bis 2004 seien - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - folgende Schwerpunkte genannt:

Einflussnahme auf Gesetzgebung und Verwaltung in Bund und Land mit folgenden Schwerpunkten:

  • Schutz des Eigentums und Abwehr von Einschränkungen in der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung und Bewirtschaftung;
  • Natura 2000 - Reduktion der Gebietskulisse in Niederösterreich und Entschädigung für Bewirtschaftungsbeschränkungen in Schutzgebieten;
  • Entschädigung bei Grundinanspruchnahme durch die öffentliche Hand;
  • Wahrung der Interessen der Land- und Forstwirtschaft in der Raumordnung;
  • Ausweitung der Rechte der Land-und Forstwirte nach der Gewerbeordnung, insbes. mehr Chancen in der bäuerlichen Direktvermarktung;
  • Verbesserung im Sozialrecht (Krankenschein für Bauern,  Bäuerinnenpension);
  • Verbesserungen im Steuerrecht und Abwehr neuer Belastungen.
  • Abwicklung der Mehrfachanträge: 1995 über 50.000 Anträge, dazu  Flächenbasiserfassung für 53.000 Betriebe mit 1,9 Mio erfassten Grundstücken!
  • Intensive Mitarbeit an der laufenden Ausgestaltung und Umsetzung des Österreichischen Agrarumweltprogrammes ÖPUL (1995: 48.800 teilnehmende Betriebe);
  • Abwicklung der Investitionsförderung;
  • Rasche Hilfe bei Dürre- und Hochwasserkatastrophen

Die Tätigkeitsberichte der Landwirtschaftskammer verzeichnen im Berichtszeitraum jährlich um die 500.000 Beratungskontakte; Fokussierung auf spezielle Beratungsangebote (integrierte Betriebsberatung) mit dem Ziel der Erhaltung leistungsfähiger, marktorientierter, innovativer bäuerlicher Familienbetriebe.

Zusammenfassend zum Zeitraum 1994 bis 2004: Es war eine Zeit einschneidender Veränderungen und Umbrüche. Es brauchte Mut zur Reform, und das sowohl für die Bäuerinnen und Bauern wie auch für die Landwirtschaftskammer als deren gesetzliche Interessenvertretung!

Festvortrag Univ.-Prof. Dr. Gottfried Holzer - 22. Februar 2022